Viele Unternehmen sehen in der stetig wachsenden Digitalisierung die Möglichkeit, mit digitalen Produkten ihre Umsatzpotenziale auszubauen und ihre immer anspruchsvolleren KundInnen durch herausragende User Experience langfristig an ihr Unternehmen zu binden. Manche Firmen wollen nicht nur ihr aktuelles Produktangebot erweitern, sondern ihr gesamtes Businessmodell digitalisieren bzw. transformieren.
Dieser Bedarf an innovativen Geschäftsmodellen mit digitalen Produkten und Services als Herzstück stellen EntscheidungsträgerInnen und Produktentwicklungsteams vor erhebliche Herausforderungen.
Einerseits, muss die Entwicklung innovativer, vernetzter, kundenorientierter und personalisierter Produkte und Services vorangetrieben werden. Andererseits, muss die Effizienz und die Digitalisierung der für das Unternehmen relevantesten Produkte und Softwareentwicklungs-Prozesse sichergestellt werden.
Außerdem geht es um die Gestaltung bzw. Veränderung der gesamten Organisation, technologisch und kulturell. Unternehmen, denen es gelingt, agile Werte, Prinzipien und Methoden nicht nur in der digitalen Produktentwicklung, sondern als gesamte agile Unternehmenskultur zu manifestieren, stehen im Wettbewerb auf der Siegerseite.
Was ist ein digitales Produkt?
Ein digitales Produkt, ist ein Produkt oder eine Dienstleistung, die auf Software basiert und von Menschen verwendet werden kann. Es handelt sich hierbei nicht um rein reales Produkt, sondern um einen nichtphysischen Vermögenswert. In diesem Beitrag geht es also um die Entwicklung von digitalen Lösungen in Form von Produkten und Services.
Welche Vorteile ergeben sich für Unternehmen durch die Investition in digitale Produktentwicklung?
Laut der Studie Digital Product Development von PWC nennen EntscheiderInnen aus Industrieunternehmen unterschiedlicher Branchen, dass sie mit 19 % Effizienzsteigerung bis 2025 durch die Investition in digitale Produktentwicklung rechnen. Außerdem reduziert sich die Produkteinführungszeit um 17 % und die Produktionskosten sinken um 13%.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die digitale Transformation innerhalb Organisationen schon länger zu einer verstärkten Kundenorientierung führt. Digitale Champions stellen AnwenderInnen an erste Stelle und etablieren durch laufendes User Feedback den Kundenfokus in den gesamten Entwicklungsprozess. In den nächsten Jahren wird die Entwicklung individuell zugeschnittener Produkte und Services, wie Software für Banken, Software für Maschinenbau oder Software für Versicherungen stark zunehmen, bei den digitalen Champions sogar um 26%.
Auch die Situation im aktuellen War for Talent 2.0. kann sich verbessern. Digitale Produktentwicklung muss heute vor allem Werte transportieren, an die MitarbeiterInnen glauben können, und die ihnen etwas bedeuten. Unternehmen können High Potentials und erfahrene LeistungsträgerInnen für ihre Unternehmensvision am besten dadurch begeistern, in dem sie ihnen Spielraum für einen spürbar eigenen Beitrag zu einem sinnvoll wahrgenommenen, aber auch einzigartigen, modernen und herausforderndem Produkt ermöglichen.
Was ist ein Beispiel für die digitale Produktentwicklung?
Ein Beispiel für die digitale Produktentwicklung ist unsere Zusammenarbeit mit der Österreichischen Post AG am Post KartenStudio. Gemeinsam haben wir erfolgreich das KartenStudio zur individuellen Gestaltung von Post- und Grußkarten als Hybrid App für Android, iOS und Web entwickelt. Aus der ursprünglichen Postkarten Mobile App, welche hauptsächlich auf die Zielgruppe B2C abzielte, wurde das neue KartenStudio. Dieses kann nun zusätzlich als Webanwendung verwendet werden und ist nun auch für die Nutzung im B2B Bereich, wie zum Beispiel für den personalisierten Massenversand von Weihnachtskarten, einsetzbar. Da die App sowohl über das iPhone, Android als auch im Web benutzt werden kann, profitieren User von intuitiver Handhabung, zahlreicher neuer Features und top User Experience.
Wie entwickelt man digitale Produkte?
Wenn es um die Entwicklung eines digitalen Produktes geht, stellt sich natürlich die Frage, wie man am besten von der Produktidee im Kopf zu einem marktreifen Produkt kommt.
Wir haben die Antworten für Sie, worauf Sie achten müssen und was es dazu alles braucht.
Die Reise von der Produktidee zum fertigen Produkt kann man in die folgenden 6 Schritten unterteilen:
- Produktvision – Was ist der Grund für die Entwicklung des Produktes?
- User Story Mapping – Was sind die Anforderungen der User an das Produkt?
- MVP/MMP – Wie sieht die erste, marktfähige Version des Produktes aus?
- Planning Poker – Wie viel Aufwand wird die Erstellung des Produktes sein?
- Sprint Zero – Welche Voraussetzungen sind für die Entwicklung zu schaffen?
- Laufende Lieferung der Software – Wie stellt man werthaltige Software regelmäßig sicher?
1. Formulierung der Produktvision
Die Produktvision ermöglicht es in wenigen Worten, die Idee hinter einem Produkt kurz und knackig auf den Punkt zu bringen. Sie soll Stakeholder inspirieren, Mitarbeiter motivieren und Projekte vorantreiben. Eine klare Produktvision schafft außerdem Fokus und ist letztlich die Voraussetzung dafür, dass im Zuge der Umsetzung des Produkts die User Storys und Features effektiv nach ihrem Geschäftswert priorisiert werden können.
Um der Produktvision Struktur zu geben, empfiehlt sich das Product Vision Board als Template zur Unterstützung zu verwenden.
Das Product Vision Board Template besteht aus 5 Teilen:
Das Product Vision Board beschreibt somit die wesentlichen Eckpfeiler des Geschäftsmodells und zahlt in weitere Aspekte wie das Business Model Canvas, sowie in das spätere Go-to-Market ein. Alternativ bzw. ergänzend zum Produkt Vision Board können auch das Product Canvas oder das Value Proposition Canvas herangezogen werden.
2. Erstellung der User Story Map
Für die Erhebung bzw. Beschreibung der Anforderungen an ihr zukünftiges Produkt wird in der Praxis die User Story Map, als beliebtes Tool im Kontext agiles Requirement Engineering, eingesetzt.
Durch User Story Mapping stellen Sie die Reise Ihrer Kunden durch Ihr Produkt visuell übersichtlich dar. Es dient sozusagen als Landkarte für das Product Backlog.
Das User Story Mapping stellt die Anwender in den Mittelpunkt der Betrachtung und visualisiert die Schritte der verschiedenen Anwender-Gruppen durch das zukünftige Produkt. Anwender können dabei User, Administratoren, Kunden, Lieferanten, etc. sein.
Die User Story Map erstellen Sie im Idealfall gemeinsam mit Ihrem Softwareentwicklungs-Partner in einem Workshop.
3. Entwicklung des MVP
Nun geht es los in Richtung der konkreten Umsetzung Ihres Produktes.
Immer dann, wenn Sie sich hinsichtlich der Akzeptanz des Produktes der zukünftigen Anwender nicht ganz sicher sind, empfiehlt sich die Entwicklung eines MVP.
MVP steht für Minimum Viable Product und übersetzt bedeutet es in etwa so viel wie “minimal brauchbares Produkt”.
Ein MVP ist in der Regel eine Skizze, ein Click-Dummy oder Mockup und kein funktionales Produkt. Der Fokus bei der Entwicklung des MVPs liegt auf Lernen und Feedback erhalten.
Der Begriff stammt aus dem Lean Start-up Konzept von Eric Ries und beschreibt kein Produkt im Sinne von Marktreife oder Marktwert, sondern vielmehr ein Artefakt, welches mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Feedback zur Validierung einer Hypothese liefern soll. Kurz beschrieben ist ein MVP also ein Artefakt, das nur die notwendigsten Eigenschaften und Voraussetzungen erfüllt, um eine bestimmte Hypothese zu testen. Der Sinn und Zweck davon ist, mit wenig Aufwand herauszufinden, wie gut potenzielle Kunden das Produkt oder Aspekte davon verstehen bzw. annehmen.
4. Planning Poker, agile Aufwandsschätzung
Nachdem eine User Story Map für den MMP (Minimal Marketable Product) vorliegt, stellt sich typischerweise die Frage nach dem Umfang und dem voraussichtlichen Zeitrahmen für die softwaretechnische Umsetzung. Wie viel Aufwand wird die Erstellung des Produktes sein?
Dafür wird in der Praxis oft eine agile Schätzmethode, der Planning Poker® eingesetzt. Der Planning Poker ist eine beliebte Methode für das agile Schätzen von User Stories und Epics in Story Points (abstrakte, relative Größen).
Die geschätzten Story Points können in weiterer Folge über die Team Velocity (angenommene durchschnittliche Entwicklungsgeschwindigkeit des Umsetzungsteams) in voraussichtlichen Aufwand und Durchlaufzeit umgerechnet werden.
Tipp: Bei der Schätzung empfiehlt sich allerdings das Arbeiten mit Bandbreiten, denn ein “Punktplanung” bei Unsicherheit ist wenig zielführende.
5. Sprint Zero – Voraussetzungen für die Entwicklung schaffen
Die Umsetzung eines digitalen Produktes auf Basis des Scrum Frameworks beginnt, wie bei allen folgenden Sprints auch beim ersten Sprint, mit dem Sprint Planning.
Damit das Entwicklungsteam mit akzeptabler Produktivität starten kann, gilt es aber einige Voraussetzungen im Sprint Zero zu schaffen.
Vor dem 1. Sprint ist es daher zweckmäßig eine erste Version der Entwicklungsinfrastruktur sowie die grobe Architektur zu erschaffen. Neben den vorbereitenden Maßnahmen bezüglich Infrastruktur und Architektur sind aber auch weitere Überlegungen vor dem ersten Sprint in der Praxis relevant, die sich im Wesentlichen mit den folgenden Aspekten befassen:
- Rollenbesetzung und Reifegrad des Scrum Teams
- Bestehen notwendiger Definitionen aus dem Scrum Framework (z. B.: Definition of Ready, Definition of Done)
- Standards und Rahmenbedingungen
6. Laufende Lieferung der Software
Einer der wesentlichen Voraussetzungen, dass die Entwicklung einer werthaltigen und qualitativ hochwertigen Software gelingen kann, ist das Vorhandensein einer modernen, hoch automatisierten Software-Entwicklung und Testumgebung.
Erst diese macht die laufende Lieferung voll funktionsfähiger und getesteter Software Inkremente möglich.
Beim Outsourcing von Softwareentwicklung sollten Sie darauf achten, dass die maximale Automatisierung des gesamten Build-, Deploy-, Test- und Monitoring-Prozesses bei gleichzeitiger Schaffung von 100%iger Transparenz, gegeben ist.
Fazit & Praxis-Tipps für die Umsetzung Ihres digitalen Produktes:
Die Entwicklung eines digitalen Produktes oder Services ist eine spannende Reise hin zu einer Produktvision, die in Ihre gesteckten Unternehmensziele einzahlt und ist ein Prozess des ständigen Lernens und der kontinuierlichen Verbesserung. Dazu abschließend einige hilfreiche Tipps aus unserer langjährigen Praxis:
- Stellen Sie Ihre Anwender in den Mittelpunkt und holen Sie laufend, auch während des Entwicklungsprozesses, User Feedback ein.
- Maximieren Sie den Outcome, in dem Sie sich auf jene Features bzw. Funktionen konzentrieren, die maximalen Nutzen bzw. Geschäftswert für Ihre Nutzer stiften. Hier gilt: weniger ist mehr!
- Gehen Sie frühzeitig mit einem MMP auf den Markt und lernen Sie im laufenden Betrieb durch entsprechendes Anwenderfeedback, was es noch braucht.
- Machen Sie keine Kompromisse bei der Softwarequalität. Prüfen Sie Ihre Legacy Software regelmäßig auf die Notwendigkeit zur Modernisierung. Technische Excellence und gutes Design, sind essenziell für den Erfolg Ihres Produktes.
- Stellen Sie sicher, dass der durch Scrum etablierte Verbesserungsprozess sich nicht nur auf die kontinuierliche Verbesserung des Produktes selbst beschränkt, sondern auch die Aspekte People, Processes & Tools umfasst. Nutzen Sie dazu die Sprint Retrospektive.
- Geben Sie Ihrem Umsetzungsteam das Vertrauen und die Autonomie, dass dieses die richtigen Entscheidungen zum Wohle des Produktes bzw. der AnwenderInnen trifft.
- Setzen Sie auf crossfunktionale Teams, in denen alle Fähigkeiten vorhanden sind, die es braucht, um ein Produkt Ende-zu-Ende zu entwickeln: Typischerweise sind das Konzeption, Design, Architektur, Front- und Backend-Entwicklung, Testing, DevSecOps, Dokumentation.
- Forcieren Sie die maximale Automatisierung und Transparenz der CI/CD-Pipeline und setzen Sie dafür auf modernen DevOps Services wie beispielsweise Azure DevOps und verbessern Sie laufend.
- Scrum, im Gegensatz zu dem Wasserfallmodell, etabliert in einem iterativen, inkrementellen Prozess zur Lieferung Ihrer digitalen Lösung, ermöglicht Ihnen, die stetigen Anpassung an sich ändernde Faktoren und dient als Rahmenwerk auch dazu, Ihren Scrum Prozess selbst kontinuierlich zu verbessern.